Der Kellner Fritz Saar (1889-1948) engagierte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg im Verband der Gastwirtsgehilfen. Ab 1919 war er in der Ortsverwaltung Berlin des Verbandes tätig. 1931 wurde er zum Vorsitzenden des Zentralverbandes der Hotel-, Restaurant- und Café-Angestellten (ZVHRC) gewählt. Während seiner Zeit in der Emigration in Amsterdam initiierte er 1935 den Druck einer Zeitung, die nach Deutschland geschmuggelt wurde und baute eine Exil-Leitung für den ZVHRC auf. Die Gestapo nahm ihn nach der Besetzung der Niederlande fest. Der Volksgerichtshof verurteilte Fritz Saar wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe. Nach Kriegsende beteiligte sich Fritz Saar 1945 an der Gründung der IG Nahrung Genuß Gaststätten in Berlin und wurde zum Treuhänder der Aschinger-Gaststätten in Ostberlin eingesetzt.
Fritz (Friedrich) Saar wurde am 21. Oktober 1889 in Minden in Westfalen als Sohn des Sattlermeisters Wilhelm Saar geboren. Seine Mutter, Luise, geb. Frühling, verstarb, als Fritz Saar vier Jahre alt war.
Bis zum seinem 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in Minden und erlernte im dortigen Bahnhofsrestaurant das Kellner- und Kochhandwerk. Er beendete die Lehre und kam dann in verschiedene Städte, um dort zu arbeiten. Seit 1911 lebte Fritz Saar in Berlin und arbeitete dort u,a. in den Germania-Sälen, im Spree-Garten und in der Brauerei Pfefferberg. Schon damals war er ehrenamtlich im Verband der Gastwirtsgehilfen engagiert. 1911 heiratete er Martha Klodt, die als Buffettmamsell arbeitete.
1915 wurde Fritz Saar als Ersatzreservist einberufen und kam dann bald an die Front. Bei Verdun wurde er verschüttet. Er blieb bis Kriegsende an der Front.
1919 erhielt er eine Anstellung beim Verband der Gastwirtsgehilfen und wurde dort Leiter der Ortsverwaltung Berlin. Eine seiner Aufgaben war das Verhandeln von Tarifverträgen und die Organisation von Streiks. Fritz Saar war auch Mitglied der SPD. 1931 wurde er Vorsitzender des Zentralverbandes der Hotel-, Restaurant- und Café-Angestellten (ZVHRC).
Fritz Saar wurde am 2. Mai 1933 kurzzeitig verhaftet und emigrierte anschließend mit seiner Frau Martha nach Amsterdam. Dort betrieb er zunächst ein Zigarrengeschäft und später eine Pension.
Seit Juni 1935 gab eine Gruppe um Fritz Saar die „Gastwirtsgehilfen-Zeitung“ heraus, deren erste Ausgabe von Joseph „Peppi“ Bettelheim mit der Hand geschrieben worden war. Die Internationale Transportarbeiterföderation und die Internationale Union der Hotelangestellten finanzierten Papier und Hektographiermaschine. Die Zeitung wurde illegal in Deutschland verteilt. Die Idee war, dass jeder Empfänger sie drei Mal abschrieb und weiter verteilte. Auch Martha Saar, die Frau von Fritz Saar, war als Kurierin tätig und brachte die Zeitung nach Deutschland.
Die Artikel in der „Gastwirtsgehilfen-Zeitung“ berichteten von Ereignissen in Deutschland, über Tarifverträge und Lebensmittelengpässe. Programmatisch erklärte die Zeitung im Juli 1935, dass der illegale ZVHRC eine „politische Kampforganisation“ sei und sich damit „auch der Streit der politischen Parteien“ erledigt habe. Diese Definition erntete bei anderen Exil-Gewerkschaftern Hohn und Spott.
In der Gruppe waren zunächst auch einige Kommunisten wie etwa Paul Merker, der ab 1923 im ZVHRC eine erste kommunistische Opposition organisiert hatte, engagiert. Fritz Saar hatte mit Merker deswegen ernsthafte und teilweise handgreifliche Auseinandersetzungen. Trotzdem versuchten die beiden in der Emigration, gemeinsam etwas zu bewirken. Merker machte sich für die damals bei der Exil-KPD populäre Idee der Unterwanderung der DAF in Deutschland als Taktik des Trojanischen Pferdes stark.
Bereits 1936 kam es zu den ersten Verhaftungen in Deutschland. Die Gestapo erhielt dadurch eine Adressenkartei für die Verteilung der Zeitung. Viele Verhaftete erhielten Zuchthausstrafen. Auch gegen Fritz Saar wurde ein Ermittlungsverfahren in Abwesenheit eingeleitet.
Auch innerhalb der Provisorischen Hauptverwaltung des ZVHRC kam es zu Konflikten. So wurde Fritz Saar 1938 zum Rücktritt aufgefordert, weil er mit einem vermeintlichen Gestapo-Spitzel Kriedemann in Kontakt stand. Paul Merker verließ die Hauptverwaltung, weil Fritz Saar sich immer stärker von den kommunistischen Ideen in der Arbeit distanzierte.
Das Erscheinen der Zeitung musste im November 1938 eingestellt werden, weil es kein Geld mehr gab.
1939 wurde Fritz Saar die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.
Nach der Okkupation der Niederlande durch die Deutschen suchte die Gestapo Fritz Saar, der sich immer noch in Amsterdam aufhielt. Er und seine Frau wurden 1941 verhaftet. Beide wurden zunächst nach Düsseldorf gebracht. Martha Saar verurteilte das Oberlandesgericht Hamm zu sechs Monaten Gefängnis. Fritz Saar brachte die Gestapo am 1. Februar 1941 ins Polizeigefängnis Berlin. Die umfangreichen Akten des Volksgerichtshofs, die heute im Bundesarchiv verwahrt werden, dokumentieren zahllose Verhöre, bei denen häufig die Bemerkungen „unter Vorhalt“ benutzt wurden. Angesichts der Tatsache, dass Fritz Saar wegen des Verdachts der Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt und er immer wieder nach Personen und deren Tätigkeiten in Amsterdam befragt wurde, ist es wahrscheinlich, dass „unter Vorhalt“ auch bedeutete, dass er misshandelt wurde.
Im Januar 1942 wurde Fritz Saar angeklagt. Als einer der Zeugen wurde Bruno Feller aus dem Konzentrationslager Groß-Rosen befragt, der von Fritz Saar ausdrücklich benannt wurde. Bruno Feller war aber unterdessen bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 9. April 1942 verstorben. Der Oberreichsanwalt beantragte die Todesstrafe, jedoch folgte das Gericht dem Antrag des Verteidigers von Fritz Saar, eine Zuchthausstrafe zu verhängen, und setzte diese auf lebenslang fest.
Fritz Saar war im Zuchthaus Brandenburg bis Kriegsende inhaftiert. An der Gründung der Industriegewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten in Berlin am 30. Juni 1945 nahm er teil und wurde 2. Vorsitzender. Wenig später bestellte die SPD ihn zum Bürgermeister des Berliner Stadtbezirks Mitte. Saar wurde Mitglied der SED. Nachdem er 1946 nicht als Bürgermeister gewählt worden war, übertrug man ihm die Treuhänderschaft für die Aschinger-Gaststätten.
Über Fritz Saars Zusammentreffen mit seinem alten Kontrahenten Paul Merker publizierte der SPIEGEL einen Artikel mit dem Titel "Deine Lippen rauchen Kippen".
Am 3. September 1948 starb Fritz Saar an einem Herzanfall in seinem Büro in Berlin.